Nicht erst seit dem Credit Suisse-Debakel ist die Bankbranche in Bewegung. Neue Technologien und Regulierungen sowie ein verändertes Kundenverhalten sind nur einige Faktoren, die diesen Wandel antreiben. Banken müssen Investitionen deshalb stets ganzheitlich betrachten, findet Daniel Kobler, Leiter Financial Services Industry Schweiz bei Accenture, in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die vollständige Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS hat für den Schweizer Bankenplatz und die Schweizer Volkswirtschaft langfristige Folgen. Dabei sind einerseits mögliche negative wettbewerbliche Auswirkungen (insbesondere im Interbanken und Firmenkundengeschäft) und andererseits ein erhöhtes Klumpenrisiko (too-big-to-fail) für die Schweizer Volkswirtschaft zu nennen.

Ersteres wird noch Gegenstand von Abklärungen seitens Wettbewerbskommission (Weko) und Finma sein. Generell gilt es klar festzuhalten, dass in der Schweiz mit ihren rund 230 Banken und mit offenen Märkten für die meisten Kundengruppen bei einer Vielzahl von Bankdienstleistungen genügend grosser Wettbewerb vorherrscht.

Besonders spannend ist dabei die Frage, woher zukünftiges Wachstum kommen wird. Der Finanzplatz Schweiz verliert mit dem Wegfall einer der zwei Grossbanken an Internationalität und Attraktivität, gerade für Schweizer Unternehmen, die auch im Ausland finanziell tätig sind.

Zudem hat der Wegfall der CS auch negative Auswirkungen auf die Wertschöpfung der Branche. Gleichzeitig waren viele Kundinnen und Kunden – und auch Angestellte – explizit bei der CS, weil sie sich mit dem Wertversprechen der Bank identifizieren konnten.

«Meist nutzen die Banken das Potenzial neuer Technologien nur begrenzt und zögerlich»

Die aktuelle Regulierung beeinflussen die Wachstumsmöglichkeiten von Banken. Jedoch ist sie kein entscheidendes Hindernis für die Weiterentwicklung, erschwert und verteuert aber Innovations- und Anpassungsprozesse. Die weitestgehend prinzipienbasierte und technologieneutral ausgestaltete Schweizer Regulierung erfordert, dass konkrete Veränderungsschritte von Banken auf ihre Zulässigkeit geprüft werden.

Zusätzlich zu makroökonomischen Faktoren haben sie zu Verschiebungen und Einschränkungen des Geschäftsmodells und einer um über 25 Prozent reduzierten Ertragsbasis geführt (2005 gegenüber 2022).
So befinden sich Schweizer Banken – insbesondere vor dem Hintergrund der Grossbankenfusion – in einer Übergangsphase. Historisch gewachsene, stark integrierte und ressourcenintensive Geschäftsmodelle stehen einer neuen, sich stetig weiter entwickelnden Realität gegenüber.

Technologie ist zum zentralen Element von Veränderungen des gesamten Geschäftsmodells geworden. Meist nutzen die Banken das Potenzial neuer Technologien nur begrenzt und zögerlich.

Gleichzeitig haben diese Entwicklungen – allen voran die rasante Automatisierung von Prozessen und deren Optimierung mithilfe von künstlicher Intelligenz – einen Mehrwert für die Banken. Unsere Erfahrungen mit Banken aus dem angrenzenden Ausland zeigen beispielsweise bis zu 10 Prozent Umsatzsteigerung durch personalisierte Produkt- und Serviceangebote. 30-50 Prozent Kostenreduktion können in den Bereichen Technologie Code Generierung, Rechtliche Vertragserstellung und Review erzielt werden.

«Dieses Wertschöpfungsmodell scheint die Bankkunden nicht ausreichend zu befriedigen»

Zusätzlich besteht Potential für eine bis zu 25-prozentige Erhöhung des Net Promotor Score (NPS) durch personalisierte Kundeninteraktion und automatisierte, sowie standardisierte Kundenberatung.
Veränderungen im Bereich Technologie haben auch Auswirkungen auf die Wettbewerbsintensität, Innovationsdynamiken sowie das Kundenverhalten und -erwartungen. Dies alles nimmt mit der Digitalisierung sukzessive zu und übt einen Kosten- respektive Investitionsdruck aus.

So sind die meisten Produkte und Dienstleistungen der traditionellen Banken noch zu wenig differenziert, um sich von den Mitkonkurrenten entscheidend abzuheben. Denn die heutigen Ertragsportfolios der Schweizer Banken sind noch stark geprägt von Produktsilos, die in Jahren des Niedrigzins konstant Erträge generiert haben.

Dieses Wertschöpfungsmodell scheint die Bankkundinnen und -kunden allerdings nicht ausreichend zu befriedigen: In der Schweiz sind nur 24 Prozent mit der Vielfalt und den Personalisierungsmöglichkeiten der Bankangebote zufrieden, wie Accenture’s aktuelle Banking Consumer Study zeigt.

«Die Bank der Zukunft»

All dies erfordert Geschäftsmodelle, die als digital, offen, modular und agil charakterisiert werden können, was für die bestehenden Strukturen vieler Schweizer Banken heute nicht zutrifft.

Die Branche konstatiert, dass diese Entwicklungen nach wie vor relativ langsam respektive nur in vereinzelten Kundensegmenten stattfindet. Zudem ist auf dem Schweizer Binnenmarkt die notwendige Skalierbarkeit von Innovationen und Investitionen für einzelne Institute oft nicht gegeben.

Auf der anderen Seite greifen Wettbewerber (zum Beispiel innovative Banken, Versicherungen und Fintech) Ertragsfelder vorherrschender Banken an. Wobei das traditionelle Hausbankenmodell mit der Kundenschnittstelle vermehrt in Frage gestellt wird und der Handlungsdruck steigt. Um dem erfolgreich zu begegnen, gilt es Technologie zu fokussieren und folgende strategische Prinzipien zu verfolgen:

  • Digitalisierter Vertrieb anhand hybrider Beratungs- und Betreuungsmodelle
  • Wettbewerbsfähige Kostenstrukturen mit Hilfe von Ökosystem-Partnerschaften und gezielte Ressourcensteuerung
  • Agile, kundenzentrierte Organisationsstrukturen; Transformationsvorhaben dieser Grössenordnung unterliegen dabei einem immensen Erfolgsdruck.

Daher gilt es folgende Erfolgsfaktoren als Leitlinien in den Fokus zu stellen:

  • Unternehmensweite Akzeptanz, dass stetige Veränderung ein Eckpfeiler darstellt und in der Unternehmenskultur verankert sein muss
  • Die Finanzierung dieser Veränderung muss teilweise aus der Optimierung der heutigen Wertschöpfungserbringung erfolgen («Self-Financing»)
  • Definition von Geschäfts- und Technologievision sowie Orchestrierung der Transformation entlang der gesamten Wertschöpfungskette
  • Ständiges Überprüfen der einzelnen Massnahmen und Mut, Kurskorrekturen vorzunehmen, falls Stossrichtungen nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen

Für Schweizer Banken ist es überlebenswichtig, diese Herausforderungen für sich zu erkennen und gezielte Massnahmen daraus abzuleiten. Eine Unternehmenstransformation – und die Transformation der Geschäftsmodelle der Banken – ist für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft unabdingbar, um den nächsten Wachstumsschub für den Finanzplatz zu generieren.


Daniel Kobler hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Beratungsbranche. Er war während 13 Jahren bei Deloitte als Director und Partner in den Bereichen Strategy Consulting (Financial Services) tätig. Im Jahr 2019 wechselte er zu Accenture und übernahm den Lead Capital Markets Industry. Seit September 2022 leitet er die Financial Services Industry bei Accenture Schweiz. Er ist zusätzlich Global Client Executive.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Ralph Ebert, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Thomas Signer, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Nadège Lesueur-Pène, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Ralph Ebert, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Shanna Strauss-Frank, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein, George Muzinich, Jian Shi Cortesi, Razan Nasser, Nicolas Forest, Jörg Rütschi, Reto Jauch, Bernardo Brunschwiler, Charles-Henry Monchau, Nicolas Ramelet, Philip Adler, Brigitte Kaps, Ha Duong, Teodoro Cocca, Beat Wittmann, Jan Brzezek, Florin Baeriswyl, Nicolas Mousset, Beat Weiss, Pascal Mischler, Andrew Isbester, Konrad Hummler, Jan Beckers, Martin Velten, Katharine Neiss, Claude Baumann, Daniel Roarty, Kubilaqy Yalcin, Robert Almeida, Karin M. Klossek, Marc Taverner und Charlie T. Munger.     

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.88%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.94%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.59%
pixel