Seit der Zwangsübernahme der Credit Suisse steht die Führung der UBS unter permanent kritischer Beobachtung und steigendem Erfolgsdruck. Von aussen betrachtet hat dies nun zu einem unguten «Wir gegen die»-Gefühl geführt, schreibt Samuel Gerber in seinem Kommentar auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Seit Monaten werden Sergio Ermotti die immergleichen Fragen gestellt. Wird der Zwangsverkauf der Credit Suisse (CS) ein Erfolg? Bleiben dabei viele CS-Mitarbeitende auf der Strecke? Und: Ist die «neue» UBS für die kleine Schweiz nicht viel zu gross und gefährlich?

Das kann schon nerven. Tatsächlich reagierte der CEO der UBS nun in der jüngsten Fragerunde mit der «NZZ» regelrecht cholerisch. «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten, ist reiner Populismus», polterte er zum Thema Eigenmittel. Zu den Meriten der Zwangsübernahme sagte er: «Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu bestätigen, dass «too big to fail» funktioniert, wäre doch reiner Masochismus gewesen.»

So weit, so deutlich. Richtig grantig wird der UBS-Chef mittlerweile, wenn jemand die Grösse der kombinierten UBS-CS kritisiert. «Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind. Dieses Konzept hat meiner Meinung nach nichts zu tun mit dem, was wir als Bank und für die Schweiz sind», erklärte er den Journalisten der «NZZ» (die übrigens den Begriff zuerst verwendet haben).

«Die Bankführung igelt sich ein»

Lässt man den Ausbruch Revue passieren, befällt einen als Beobachter der wichtigsten Schweizer Bank ein ungutes Gefühl. Wie Recherchen von finews.ch bereits zeigten, lässt die Bankführung den «Noise» und die Kritik der Aussenwelt zunehmend an sich abperlen. An den Schalthebeln der Macht bei der Grossbank gibt man sich felsenfest überzeugt, dass beim Zusammenschluss eins plus eins sogar mehr als zwei ergeben werden.

Aus der Aussenperspektive kommt man da zum Schluss: Die Bankführung igelt sich ein, wird dünnhäutig gegenüber Kritik und scheint ein «Wir gegen die»-Gefühl entwickelt zu haben. Wer an den Segnungen der neuen Megabank zu zweifeln wagt, der muss etwas im Schilde führen: Die Journalisten etwa, die Begriffe erfinden, weil sie auf viele Klicks aus sind. Eine beunruhigende Haltung insgesamt. Käme sie nicht von einem Kollektiv, sondern von einer einzelnen Person, müsste man sie als erstes Anzeichen von Wahn deuten. Dabei gibt es Folgendes zu beachten:

Erstens ist festzuhalten, dass die UBS bei der Stabilisierung und Integration der CS bisher ganze Arbeit geleistet und die gesetzten Wegmarken im hohen Tempo abgespult hat. Die CS hätte nach dem 19. März, wäre sie sich selber überlassen worden, keinen einzigen Tag überlebt. Hätte die UBS sich gegen den Kauf gesträubt, hätten Bund und Behörden den «Plan B» in Gang setzen müssen: Die mit vielen Unwägbarkeiten behaftete Sanierung des zweitgrössten Schweizer Geldhauses.

Das Erreichte wird auch an den Börsen beklatscht. Seit dem März 2023 hat der Aktienkurs der UBS um beinahe die Hälfte zugelegt. Eine Mehrzahl der Analysten rät zum Kauf des Titels.

«Die Zeit der ‹Quick wins› ist vorbei»

Zweitens ist es nun so, dass spätestens seit dem Entscheid zur Vollintegration der CS Schweiz im vergangenen August die Zeit der «Quick wins» vorbei ist. Nun steht das mühsame Klein-Klein der Integration an, bei der es nächstes Jahr bereits aber um Wesentliches geht: 2024 soll der Transfer von CS-Kunden aus den Kernsparten auf die UBS-Plattform beginnen.

Das ist auch mit Blick auch die IT eine Übung, die in diesem Ausmass noch nie unternommen wurde und für sich selbst genommen vielerlei Risiken birgt, zumal die Gefahr von Verspätungen. Gleichzeitig werden allein 3’000 Entlassungen in der Schweiz erwartet, was der UBS-Kritik weitere Nahrung geben wird. Die Misstöne werden deshalb lauter werden.

Das ist drittens der Grund, warum der Druck auf die Grossbanken-Führung nur zunehmen kann. Daran ist sie selber nicht ganz unschuldig, hat sie doch den Zeithorizont für die CS-Integration um ein Jahr auf 2026 gekürzt und das Sparziel noch erhöht. Damit hat das Management luftige Erwartungen am Markt geweckt, wie sich jüngst mit dem Einstieg des schwedischen Finanzinvestors Cevian zeigte.

«In der Summe entsteht dabei ein klassischer Zielkonflikt»

Dieser hält es für möglich, dass die neue UBS-CS innert nützlicher Frist den Aktienkurs auf 50 Franken verdoppeln kann. Das wäre ein enormer Sprung, muss doch davon ausgegangen werden, dass die Gewinne aus der Integration im aktuellen Börsenwert der Grossbank weitgehend eingepreist sind. Cevian ist nicht dafür bekannt, dass sie sich als Grossaktionärin auf das Zuschauen beschränkt. Die Schweden gelten als aktivistische Investoren, die ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen wissen.

In der Summe entsteht dabei ein klassischer Zielkonflikt. Die Komplexität der Integration erfordert Feinarbeit und minimale Toleranz für Fehler. Die mit dem Zusammenschluss geschürten Erwartungen rufen hingegen nach grossen Würfen und hohem Tempo. Diesem Konflikt scheint die UBS mit totalem Fokus auf die internen Abfläufe zu begegnen, nach aussen hin aber mit einer zunehmenden Abwehrhaltung.

Das Ergebnis könnte eine Führungskultur sein, die sich immer weiter von der Aussenwelt entfernt.

Angesichts der zahlreichen Anspruchsgruppen, welchen die UBS gerecht werden muss, und angesichts der internationalen Vernetzung und der Bedeutung für die Schweiz, wäre das eine gefährliche Entwicklung. Ein dieser Tage veröffentlichter Bericht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zur CS-Krise stellte unter anderem fest: Dem Management der untergegangenen Bank hat der Blick für das grosse Ganze gefehlt. Die CS-Chefs schafften es nicht, festgestellte Missstände «gesamtheitlich und nachhaltig zu beheben», so die Finma.

Jener Blick fürs grosse Ganze, und hier gehört die Aussenwelt mit dazu, darf dem UBS-Management nicht abhanden gehen. Drei Eigenschaften wären Ermotti & Co als Vorsätze für das neue, anspruchsvolle Jahr ans Herz zu legen: Weitsicht, im wörtlichen Sinne. Augenmass. Demut.


Samuel Gerber ist stellvertretender Chefredaktor von finews.ch


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