Aktionärs-Aktivisten werden aufgrund öffentlicher Kampagnen und aggressiver Taktiken oft als Geier angesehen. In einigen Fällen können sie jedoch als Engel betrachtet werden, schreibt Massimo Pedrazzini in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Das Online-Lexikon «Investopedia» definiert Aktionärs-Aktivisten als «Aktionäre von Unternehmen, die Veränderungen innerhalb oder für ein Unternehmen herbeiführen. Diese Veränderungen erstrecken sich über ein breites Spektrum, von Umweltbelangen über Governance und Gewinnverteilung bis hin zur internen Kultur und dem Geschäftsmodell eines Unternehmens.»

Daher sollte der Zweck eines aktivistischen Investors darin bestehen, Unternehmen zu verbessern und folglich Wert zu schaffen. Dies kommt allen Stakeholdern zugute und wirkt sich positiv auf den Aktienkurs aus, was zu Gewinnen für den Anleger führt.

«Vor ein paar Tagen bin ich im Internet auf eine sehr beunruhigende Definition gestossen»

Ich glaube jedoch, dass es ein ernsthaftes Wahrnehmungsproblem gibt. Laut Investopedia kaufen Aktionärs-Aktivisten in der Regel eine Minderheitsbeteiligung an einem Unternehmen auf und wenden anschliessend eine Vielzahl von Taktiken an, von Mediendruck bis hin zur Androhung von Rechtsstreitigkeiten, um ein Gespräch zu erzwingen und Veränderungen herbeizuführen».

Aufgrund der Sichtbarkeit öffentlicher aktivistischer Kampagnen wird Aktivismus häufig mit Medienpräsenz und aggressiven rechtlichen Massnahmen in Verbindung gebracht. Noch besorgniserregender: Vor ein paar Tagen stiess ich im Internet auf eine sehr beunruhigende Definition: «Aktivistischer Aktionär: ein privater oder institutioneller Investor, der eine Mehrheitsbeteiligung an einem Zielunternehmen erwerben möchte, indem er Sitze im Verwaltungsrat des Unternehmens erwirbt». Der Zweck des Aktivismus scheint also darauf hinauszulaufen, die Kontrolle über Unternehmen zu übernehmen.

Diese falsche Wahrnehmung unserer Rolle ist die Wurzel des Problems, mit dem konstruktive, aktivistische Investoren wie wir konfrontiert sind. Sobald ein Unternehmen erfährt, dass wir Investoren geworden sind, werden Management und Vorstand sehr defensiv. Es braucht Zeit, bis sie verstehen, dass unser Ansatz anders ist.

«Sterling hat diesen Ansatz in den vergangenen 25 Jahren übernommen»

Ich bin überzeugt, dass die beste Strategie für einen aktivistischen Investor darin besteht, das Management und den Verwaltungsrat dabei zu unterstützen, die Gründe für die Unterbewertung zu identifizieren und die Stressfaktoren, die sie verursachen, zu mildern, anstatt in der Öffentlichkeit gegen das Management zu kämpfen.

Konstruktiver Aktivismus beruht auf einem offenen und konstruktiven Dialog. Es braucht Zeit und Geduld. Da dieser Ansatz für die Aktionäre nicht sichtbar ist, wird er von den Medien oder Wissenschaftlern in der Definition von aktivistischem Investieren selten erwähnt. Es ist fast so, als gäbe es ihn nicht.

Sterling hat diesen Ansatz in den vergangenen 25 Jahren übernommen und durch konstruktiven Dialog mit Vorständen und Management vergleichbare Indizes übertroffen. Ich glaube, dass «Gewalt die letzte Zuflucht der Inkompetentenz ist», bringt es der Autor Isaac Asimov meines Erachtens auf den Punkt. Medienkampagnen und die Androhung von Rechtsstreitigkeiten sollten erst dann in Betracht gezogen werden, wenn alle Stricke reissen. Unsere Geschichte zeigt, dass dies selten der Fall ist.

Unsere Beteiligung an der niederländischen Firma Fugro ist ein Paradebeispiel für den Ansatz von Sterling. Das in Amsterdam kotierte Unternehmen ist der weltweite Spezialist für Vermessungen von Fundamenten von Gebäuden und Infrastrukturen auf See und an Land, wie Bohrinseln, Windkraftanlagen, Eisenbahnen und Brücken.

«Es wurde deutlich, dass das Unternehmen mit starken Stressfaktoren konfrontiert war»

Bis September 2020 war der Aktienkurs um 95 Prozent von seinem Allzeithoch im Jahr 2011 und über 80 Prozent von seinem Niveau von 2016 abgestürzt. Der Grund für die jahrelange Kursschwäche war, dass sich zwischen 2014 und 2020 Umsatz und Gewinn aufgrund des Zusammenbruchs des Ölmarktes halbiert hatten, was den Schuldendienst untragbar machte.

Wir beobachteten das Unternehmen von der Seitenlinie aus, als der Aktienkurs weiter fiel. Im Jahr 2020 wurde deutlich, dass das Unternehmen mit schwerwiegenden Stressfaktoren konfrontiert war, die wir als Aktionäre abmildern und substanziellen Wert schaffen konnten – genau die Art von Chance, die wir suchen. Wir haben einen Weg zu einer rentablen Investition identifiziert, der auf drei Säulen basiert:

  • Die Modernisierung der Corporate Governance, insbesondere des typisch niederländischen Übernahmeschutzes, würde die Refinanzierung des Unternehmens erleichtern und das Unternehmen für eine breitere Basis internationaler Investoren attraktiver machen.
  • Eine deutliche Reduktion der Verschuldung sollte zusammen mit einer besseren Kommunikation, über die sich entwickelnden Aktivitäten und das ESG-Profil des Unternehmens zu einer höheren Bewertung führen.
  • Die Ergebnisse des Unternehmens sollten sich dank höherer Gewinne aus Offshore-Dienstleistungen verbessern, da die wachsenden Aktivitäten für Windparks die überschüssigen Kapazitäten absorbieren würden, die zuvor von den Kunden genutzt wurden.

Bei Fugro trafen wir auf ein hochkompetentes und kooperatives Management: Es brauchte nur wenige Treffen, um sie davon zu überzeugen, dass unser «konstruktiver Aktivismus» völlig anders war als der «aggressive Aktivismus», den sie erwartet hatten, und die falsche Wahrnehmung unserer Rolle, wie sie zu Beginn dieses Artikels erwähnt wurde, zu zerstreuen.

«Die Geschäftsleitung war sehr konstruktiv und offen für diesen Dialog»

Im Oktober 2020 haben wir beschlossen, uns an einer Kombination aus einer Aktienemission und einer anschliessenden öffentlichen Bezugsrechtsemission zu beteiligen. Als Bedingung für die Investition von Sterling, die auch für die anderen Investoren bei der gezielten Aktienemission zur Bedingung wurde, gelang es uns, die Abschaffung von zwei der drei Übernahmeschutzmassnahmen zu erreichen.

Nach den Aktienemissionen haben wir uns in den folgenden drei Jahren intensiv mit dem Management auseinandergesetzt. Wir haben zahlreiche Gespräche mit dem CEO, dem CFO und dem Chairman geführt und offen über weitere Verbesserungen gesprochen. Unter anderem haben wir uns für eine Investorenkommunikation ausgesprochen, um die sich verbessernde ESG-Position von Fugro hervorzuheben.

Die Geschäftsleitung war sehr konstruktiv und offen für diesen Dialog. Wir haben auch unsere Ideen zur optimalen Zusammensetzung des Verwaltungsrats für den neuen Fugro eingebracht: Wir haben uns gefreut, dass das Unternehmen seinen Verwaltungsrat neu strukturiert und auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet hat, denen sich das Unternehmen stellen muss.

«Wir haben das Unternehmen bei der Restrukturierung aktiv unterstützt»

Knapp zwei Jahre nach unserem ersten Investment haben wir uns schliesslich an einer Platzierung als Ankerinvestor beteiligt, um die Refinanzierung abzurunden und die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Wachstumsstrategie des Unternehmens bereitzustellen.

Vor einigen Monaten kamen wir zu dem Schluss, dass ein aktivistischer Investor nicht mehr benötigt wird, da das Unternehmen seine Stressfaktoren gelöst hat, der Wert geschaffen wurde und der Markt begonnen hat, ihn zu erkennen. Folglich sind wir nach und nach aus der Investition über den Markt ausgestiegen. Der Aktienkurs am Tag des Verkaufs unserer letzten Anteile an Fugro lag bei 15.30 Euro, gegenüber 4.80 Euro für die Erstinvestitionen im Jahr 2020 und 11.30 Euro für die Emission im Jahr 2022.

Kurz gesagt, wir haben unsere Renditen erwirtschaftet, indem wir das Unternehmen aktiv auf seinem Weg der Restrukturierung und des Wachstums unterstützt haben. Wir sind überzeugt, dass das Ergebnis ohne die Kombination aus einem kooperativen Verwaltungsrat, einem sehr kompetenten und offenen Management und konstruktiven, aktivistischen Aktionären ganz anders ausgefallen wäre.

«Es gibt konstruktiven Aktivismus, er ist sehr erfolgreich, auch wenn niemand darüber spricht»

Das nennen wir «konstruktiven Aktivismus». Es gibt sie, und sie ist sehr erfolgreich, auch wenn niemand darüber spricht. Ohne diesen Artikel hätten Sie vielleicht nie gewusst, dass hinter der erfolgreichen Restrukturierung von Fugro unter anderem ein aktivistischer Investor steckt.

Ich hoffe, dass dieser Artikel Licht auf eine signifikante Fehlwahrnehmung wirft: Aktivisten werden aufgrund öffentlicher Kampagnen und aggressiver Taktiken oft als Geier angesehen. In einigen Fällen können sie jedoch als Engel betrachtet werden.


Massimo Pedrazzini ist unter anderem Vorsitzender des Sterling Active Fund, der Fidinam Group und von ST Real Estate. Im Jahr 1985 schloss er sein Studium der Rechtswissenschaften in Genf ab. Er ist spezialisiert auf Vertragsrecht, M&A, Gesellschaftsrecht, Governance, internationales Steuer- und Finanzrecht.


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